Samstag, 8. März 2008

Wanaka - oder die Nachbarschaft

ca. 50 km von Cromwell entfernt liegt Wanaka, am gleichnamigen See, der wegen dem örtlichen, starken Wind vorwiegend von Kitesurfern und Seglern bevölkert wird. Hier gibt es eine reichhaltige Palette an Freizeitangeboten: Die historisch/technisch Interessierten finden ein Flugzeug- und Panzermuseum, die Wagemutigen die ansässige Skydive Filiale, die Gestressten den Schiessplatz, die Selbstdarsteller den Strand, die Cineasten das Kino im Wohnzimmer- Design und die Landarbeiter die Landwirtschaftsschau (zumindest an diesem Wochenende).

Nach einem kurzen weil windigem Grillmittag fahren wir zu viert mit dem 1000 Euro Subaru Kombi zweier Wineyard-Arbeiter aus Berlin, der anscheinend noch hervorragend in Schuss ist, nach Wanaka, um uns als Zuseher an diesem Happenning teilnehmen zu lassen.
Zu sehen sind neben preisgekrönten und aus kommerziellen Gründen zur Schau gestellten Rindern, Lamas, Schafen und Ziegen auch Mini-Pferderennen mit Erwachsenen und springreitende Mädchen, die Ihre hufbeschlagenen Reituntersätze effektvoll am Parcours präsentieren. Das grösste Gedränge findet allerdings vor dem Bierstand statt, gleich neben der Halle, wo der Landarbeiter- Nachwuchs lustige Figuren aus Obst und Gemüse zur Schau stellt. Der Rest des für die Schau beanspruchten Geländes wird von vielen, kleinen Verkaufsständchen und zugehörigem Personal bevölkert, das uns, sehr zur Freude unserer Gehörgänge, keine marktschreierischen Qualitäten beweisen.

ob gross...

ob klein...

Der eigentliche Grund unseres Ausflugs in das Nachbardorf ist das dort befindliche Kino "Paradiso". Wir organisierten uns schon am Nachmittag Karten für die Abendvorstellung "No country for old men", die erstaunlicherweise für acht Oscars nominiert ist und aus der Ideenfabrik der Coen-Brüder ein anspruchsvolles Filmerlebnis verspricht. Obendrein sitzt man im Paradiso nicht auf den altmodischen, unbequemen Kinoklappstühlen, sondern auf einer von mehreren grossen Couches. Autokinofans kommen im extra dafür präparierten VW-Käfer auch auf Ihre Kosten, in einer Ecke des Raums gibt es zusätzliche Polster für die freie Entnahme durch die Hardcore- Couchpotatoes im Publikum.
Das Paradiso ist ein kleines Kino, kombiniert mit Bar/Restaurant mexikanischem Einschlags, wobei sich die Getränkeauswahl hauptsächlich auf Coca-Cola-Limonaden, die wir alle aus der Werbung und dem Supermarkt kennen, und auch auf lokale Bier- und Weinspezialitäten beschränkt. Hier läuft uns der Riesling von Rippon, einem Winzer aus der Gegend, der wegen seines Komposthaufens überregional bekannt ist, über den Weg und eine Minute später auch über die Lippen, seiner natürlichen Absicht folgend, weiter in Richtung unserer Geschmacksorgane. Doch schon der Geruch überrascht. Ich benötige mehrere Anläufe, um schliesslich das fruchtig- bestechende Aroma ähnlich einer österreichischen, sehr bekannten Kräuterlimonade auszumachen. Die im Geschmack fast nicht wahrnehmbaren Gerbstoffe trüben den Eindruck des fast schon olympisch anmutenden, fruchtigen Rieslinggeschmack dieses Weines am Gaumen keineswegs, was uns auch den baldigen Besuch des Winzerbetriebs auf unsere Pflichtenliste setzen lässt.

No Country for old men:


Über zwei Stunden fesselt uns dieser sehr überraschend verlaufende Thriller an die überaus bequemen Sitzgelegenheiten im kleinen "Kinosaal" des Paradiso. Der Film bietet der ausserordentlich gewaltbereit gefärbten Story ausreichend Geschwindigkeit und Raum, um sich zu einem sehr gelungenem Werk in den Grenzbereichen der Spannung entwickeln zu können. Tommy Lee Jones, sichtlich gealtert, vermittelt dem in einer Neben-Hauptrolle dargestellten, vor der Pensionierung stehendem Sheriff einer Kleinstadt in den USA, das nötige Auftreten im Geschehen auf der Leinwand.
Nicht nur der Verlauf, auch das durch die Coen-Brothers geürzte Ende des bis zuletzt actiongeladenen Movies lässt die schwachsinnig-halluzinatorischen Qualitäten der marktbeherrschenden Produkte der Happy-End-Filmindustrie in Vergessenheit geraten und uns deshalb einen wirklich gelungenen Actionfilm erleben.

Also: "9 out of 10 points", sollte meine bescheidene Meinung zu dem Film gefragt sein...

Sonntag, 2. März 2008

The Big Picture

Unweit von Cromwell befindet sich das "Big Picture", an der Hauptstrasse nach Queenstown sogar mit einer Tafel "In 400m Wine Adventure on the Left" angekündigt.

Neben Speisen aus sehr guter moderner, fast durchgehend mediterran beeinflussten Küche gibt es hier einige gute Weine aus der Umgebung und touristische Attraktivitäten wie dem "Aroma Room" und dem hauseigenen Kino, in dem Filmvorführungen zu dem wichtigsten Thema der Region stattfinden. Hier lässt es sich stundenlang schlemmen und geniessen, zumindest wenn einen der manchmal mehr als erfrischende Wind nicht stört, der das Tal entlang strömt.
Auf der Weinkarte findet sich auch Rose-Wein, der hier scheinbar eher hellrot als mit dem uns bekannten rosa Farbton hergestellt wird.



Alles in allem lässt sich hier auf der Terrasse ein gastronomisch gelungener, halber, sonniger Sonntag mit Blick auf die umgebenden Pinot- Weingärten gestalten. Dabei fällt uns auf, dass die Stöcke in manchen Zeilen des benachbarten Weingartens keine Früchte tragen. Zum Glück ist der Weinbauer an diesem Sonntag bei der Arbeit. Meiner natürlichen Neugier folgend, manövriere ich zu ihm hin, was durch die Struktur eines typischen Weingartens ja nicht oft einfach ist, und frage ihn nach der Rebsorte und den fehlenden Trauben. Dabei stellt sich heraus, dass die Weinbauern teilweise aich noch selbst amerikanische Rebstöcke kultivieren, um diese bei geeignetem Alter mit Pinot-Reben auf zu pfropfen, nicht zuletzt um sich die hohen Kosten der bereits meist beim Kauf in der Rebschule fertig veredelten Setzlinge zu ersparen.
Zudem erspart man sich durch fallweise mit den Setzlingen einer Rebschule in den Weingarten eingebrachte Viren und kann seine eigens selektierten Stöcke des Weingartens vermeeren.

Nicht ganz zum Thema passend, aber auch Bestandteil dieser Woche: Der Umzug von dem unbequemen Chalets Ferienpark zu unserem neuen Gastgeber, Rory, ein 24-jähriger Local. Der gelernte Koch arbeitet als Builder, also Facharbeiter für Baufirmen in der Umgebung und sucht immer wieder Mitbewohner für sein Haus, damit er die Kosten nicht alleine von seinem Lohn bestreiten muss. Ein angenehmer, relativ introvertierter Typ, der natürlich Poker spielt und sich liebevoll um die 10 Jahre alte Katzendame Ashley kümmert. Hier gibts auch endlich "richtiges" Breitband Internet, was in den Chalets ja eher als schmal zu bezeichnen war.
Hier kann man auch tagsüber ihn Ruhe arbeiten, und das zum gleichen Wochenpreis wie im Ferienpark. Soweit hätte sich die Wohn- und Arbeitssituation verbessern lassen, worüber niemand von uns unzufrieden zu sein scheint.
Unserer dritter Mitbewohner ist Fabio, ein Wine-Assistant aus Brasilien, der die meiste seiner Freizeit im privaten Zimmer verbringt, natürlich Online-Poker spielend, und uns so zuvorkommenderweise seinen leider fast anästhetisch anmutenden Fussgeruch erspart :)